Ich dachte früher, programmieren zu können sei das Wichtigste um digitale Spiele zu entwickeln. Das ist falsch. Ja, ich bin der Typ Game Designerin der viel mit Code arbeitet. Trotzdem kann ich nur meine Ideen verwirklichen, wenn ich sie zu Papier bringen kann. Nicht nur weil Concept Art auch als Solo Spiele Entwickler sehr hilfreich ist, sondern weil es unglaublich mühsam ist auch nur einen Prototypen rund aussehen zu lassen wenn alles von irgendwo aus dem Internet zusammengeklaubt ist. Ja, Asset Packs sind hilfreich für digitale Prototypen und meistens relativ billig, aber für originelle Ideen gibt es kein vorgefertigtes Pack. Auch mit AI generierter „Kunst“ hat sich daran nicht viel geändert. Selbst wenn ein(e) Freund(in) genial zeichnen kann, willst du deine Begeisterung für Game Design nicht von ihm/ihr abhängig machen. Das gilt natürlich auch umgekehrt, aber als Programmierer ist es noch wichtiger analog anzufangen.
Übe zeichnen. Baue Maps und Level. Modde. Spiele.
Skripten oder programmieren lernen ist ein wichtiger Teil der Spieleentwicklung, aber eben nur ein Teil. Sobald Spiele über einfachste geometrische Formen hinausgehen wirst du mehr Zeit mit Zeichnen verbringen als mit programmieren, selbst wenn du beides gleich gut kannst oder wie ich lieber Spielmechaniken programmierst. Keine Spielmechanik kommt ohne Assets aus, aber viel Charme lässt sich allein durch Assets generieren. Selbst für 3D Assets kann man mit Knete, Fimo und Ton üben. Ein Gefühl für Texturen und Shader kannst du beim Bemalen von Spielfiguren bekommen. Analog anfangen zahlt sich aus, indem wir schnell Erfolgserlebnisse damit haben Fähigkeiten zu üben, die uns nicht so sehr interessieren.
Zu einem digitalen Spiel gehören Concept Art, Regeln, Partikel Effekte, Sound, Musik, Animationen, Level Design, Anleitungen, Infodarstellung, testen, Menüführung… und programmieren.
Wir können und sollen auch die analogen Fähigkeiten üben und verfeinern, weil so viel mehr an Spielentwicklung dran ist als mit einer Game Engine umgehen zu können. Jeden notwendigen Skill müssen wir auf Level 1 bringen, bevor alles zusammen ein digitales Spiel ergeben kann. Eine künstlerische Aussage, graphischer Stil, Spielregeln und Benutzerfreundlichkeit lassen mit Werkzeugen aus der Grundschulzeit ein Spiel entstehen. Am Computer vervielfacht sich der Aufwand in jedem Bereich. Unser erstes Erfolgserlebnis haben wir analog viel schneller.
Außerdem gibt uns das Basteln Gelegenheit um unseren Stil zu finden. Für die digitalen Spiele unsere Assets selbst zeichnen zu können, ohne diesen Teil neu lernen zu müssen, beschleunigt die Lernkurve enorm. Skizzen zu digitalisieren und am Computer nachzuzeichnen und zu colorieren ist unglaublich hilfreich auf dem Weg zu eigenen Animationen. Auch 3D Modellierung in Kombination mit einem 3D Drucker für eigene Spielsteine sind eine großartige Möglichkeit, den eigenen Stil zu finden. Bei vielen Computerspielen sind die 3D Modelle modbar. Aus dem selbst geschriebenen und gebastelten Anleitungsheft wird vielleicht ein gebundenes Büchlein oder ein schickes PDF mit einer selbst designten Schriftart, mit Erklär-Maskottchen und anderen passenden Schnörkeln und Feinheiten, die das Spiel abrunden und zugänglicher machen. Vielleicht traust du dich auch daran, ein kurzes Werbe Video zu drehen. Wenn du dein Augenmerk auf Sound und Musik lenken willst, empfielt es sich ein Instrument zu lernen.
Die Spielregeln in Pen & Paper Rollenspielen sind meistens so umfangreich, dass sie für Computerspiel Adaptionen eingedampft werden, obwohl dort der Computer im Hintergrund alles ausrechnet. Wenn du wie ich gern Spielmechaniken entwirfst, dann geht das analog ganz ohne programmieren. Ich war so frustriert, dass die tiefen Mechaniken nicht modbar sind, obwohl genau das der Punkt ist den ich gerne verändern wollte. Vielleicht gibt es ja inzwischen kleine Open Source Spiele, die sich nach wochenlanger Einarbeitung in voller Tiefe kaputt machen lassen. Unabhängig davon können wir mit analogem Spielmaterial frei Regeln entwerfen und ausprobieren.
Der erste Stolperstein am Computer wird sein, dass ich das Geschehen des Codes irgendwie sichtbar bekommen muss, um zu schauen ob das passiert was ich will. Auch das lässt sich analog lernen. Woher weiß der Spieler, welche Ressourcen er zur Verfügung hat? Gibt es Charakter Werte und wie stelle ich die dar? Was verändert sich ständig und muss im Sichtfeld bleiben, was kann aufleveln, was bleibt gleich? Wie gebe ich hilfreiche Regelübersichten als Erinnerungsstütze, damit nicht ständig in der Anleitung geblättert werden muss? Wie gebe ich dem Spieler die Möglichkeit, schnell ins Spiel einzusteigen? Sind Pen & Paper Charakterbögen benutzerfreundlich?
Meistens sollen Spiele Spaß machen, doch gute Spiele machen eine Aussage. Welches Gefühl will ich durch mein Spiel vermitteln? Soll der Spieler etwas lernen? Soll er strategisch vorgehen? Bieten Magie oder futuristische Technik Denkanstöße? Will ich eine alternative oder ideale Welt darstellen? Soll der Spieler vorausdenken? Was braucht er dazu? Brettspiele sind mächtigere Erzähler als du vielleicht denksts.
Es braucht viele verschiedene Fähigkeiten, um eine Spielidee zu realisieren. Die meisten davon können wir schneller und mit mehr Erfolgserlebnissen trainieren, wenn wir das Programmieren fürs Erste außen vor lassen.
Und wir üben dadurch das Dran Bleiben.
Wenn wir digitale Spiele entwickeln wollen, dann müssen wir das jeden Tag zumindest ein bisschen machen. Ein paar Minuten sind immer drin. Bugs zu recherchieren kann oft Tage dauern und zermürbend unvorhersehbar sein, doch ein Item von der Liste zu zeichnen oder eine Tempel Hintergrundgeschichte zu schreiben ist eine überschaubare Aufgabe. Halte deine tägliche Gewohnheit produktiv, indem du solche überschaubaren Aufgaben für schlechte Tage, stressige Wochen und katastrophale Monate findest. Und indem du auch an den unangenehmen Aufgaben arbeitest, bis sie gelöst sind.
Leveln wir also analog auf, bevor wir digital weitermachen.